Sergej Engelmann auf freiem Fuß: Ein Jahr Haft im Fall Oleg Maltsev endet mit einem Erfolg der Verteidigung

Am 21. Oktober 2025 hat das Berufungsgericht Odessa entschieden, den deutschen Journalisten und Herausgeber der Zeitschrift „Welt der Kampfkunst“, Sergej Engelmann, nach einem Jahr in Untersuchungshaft gegen Kaution freizulassen. Die Entscheidung wurde durch die konsequente Arbeit der Verteidigung möglich, die zahlreiche Verfahrensverstöße sowie das Fehlen belastbarer Beweise für die erhobenen Vorwürfe aufgezeigt hatte.

Die journalistische Tätigkeit von Sergej Engelmann
Sergej Engelmann ist Forscher und Herausgeber der Zeitschrift „Welt der Kampfkunst“. Eine zentrale Rolle spielte er als Koordinator eines internationalen Projekts, das die weltweite Veröffentlichung des Buches „Das kompromisslose Pendel“ des ukrainischen Wissenschaftlers und Rechtsanwalts Dr. Oleg Maltsev sowie des amerikanischen Politikers und Unternehmers Tom Patti vorbereitete. In diesem Buch wird das einzigartige Trainingssystem des Boxcoaches Cus D’Amato beschrieben, der durch seine „Peek-a-boo“-Technik bekannt wurde.

Ein wichtiger Bestandteil seiner journalistischen Arbeit war die Mitwirkung im Expeditionskorps unter Leitung von Dr. Oleg Maltsev. Das wissenschaftliche Projekt widmet sich der konzeptionellen Analyse und Erforschung des Machtphänomens in verschiedenen historischen Epochen und Regionen Europas und der Welt. Als Journalist dokumentierte Engelmann zahlreiche Expeditionen und bereiste gemeinsam mit dem Forschungsteam Dutzende Länder.

Die von ihm gegründete Zeitschrift „Expedition“ entwickelte sich zu einer bedeutenden Plattform, um die Arbeit ukrainischer Wissenschaftler einem europäischen Publikum zugänglich zu machen, und lieferte während der Expeditionen nahezu rund um die Uhr Berichte.

Vor Beginn der militärischen Operationen arbeitete Engelmann mehrere Jahre eng mit der Ukraine zusammen und besuchte das Land regelmäßig im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit.

Umstände der Festnahme
Am 14. Oktober 2024 wurde Sergej Engelmann von ukrainischen Grenzschutzbeamten auf seiner Rückreise von der Ukraine nach Köln festgenommen, nur vier Tage nach der Veröffentlichung seiner journalistischen Untersuchung mit dem Titel Who ordered the smear campaign against Oleg Maltsev?. In diesem Beitrag analysierte er kritisch die Hintergründe der Strafverfolgung des ukrainischen Wissenschaftlers und legte mögliche Motive sowie Unstimmigkeiten in den erhobenen Anschuldigungen offen.

Der ukrainische Wissenschaftler und Anwalt Oleg Maltsev

Der Journalist wurde aufgrund desselben Artikels des Strafgesetzbuches wie Dr. Oleg Maltsev angeklagt (Artikel 260, Teil 1: „Gründung nicht gesetzlich vorgesehener paramilitärischer Formationen“). Laut Anklageschrift soll Engelmann die ihm vorgeworfenen Handlungen zwischen dem 20. April und dem 5. Mai 2022 begangen haben. Nach Angaben des staatlichen Grenzschutzdienstes der Ukraine hielt sich der Journalist in diesem Zeitraum jedoch gar nicht in der Ukraine auf – er verließ das Land am 20. Februar 2022 und kehrte erst am 14. Mai 2022 zurück.

Verfahrensmängel
Die Festnahme war von gravierenden Verletzungen der Verfahrensrechte begleitet. Sämtliche Anklageunterlagen wurden Engelmann ausschließlich in ukrainischer Sprache vorgelegt, wodurch er weder den Inhalt der Vorwürfe nachvollziehen noch seine Verteidigungsrechte wahrnehmen konnte. Erst sieben Monate später gelang es seinen Anwälten, Übersetzungen der Dokumente in deutscher Sprache zu erhalten.

Die Qualität dieser Übersetzungen erwies sich als so mangelhaft, dass die deutsche Botschaft in Kiew nach Erhalt der Unterlagen am 15. Mai 2025 eine offizielle Protestnote an das ukrainische Außenministerium richtete. Darin wurden erhebliche Übersetzungsfehler sowie die Verletzung internationaler Verpflichtungen der Ukraine im Hinblick auf den Schutz der Rechte ausländischer Staatsbürger gerügt.

Eine detaillierte Analyse der Anklageschrift zeigte zudem, dass das Dokument weder konkrete rechtswidrige Handlungen benennt, die Engelmann begangen haben soll, noch mutmaßliche Geschädigte aufführt oder konkrete materielle oder sonstige Folgen der behaupteten Taten beschreibt.

Die Worte des freigelassenen Journalisten
Nach seiner Freilassung wandte sich Sergej Engelmann mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit:

„Ich bin überzeugt, dass meine Festnahme mit meiner Untersuchung „Who Ordered the Smear Campaign Against Oleg Maltsev?“ zusammenhängt, die ich kurz zuvor veröffentlicht hatte. Als Journalist bin ich Zeuge geworden, in welcher Gefahr sich die akademische Freiheit in der Ukraine derzeit befindet. […] Ich, als Journalist, wurde der Mitgliedschaft in eben dieser paramilitärischen Formation beschuldigt. Für diejenigen, die mit der Materie nicht vertraut sind: Nach ukrainischem Recht handelt es sich dabei nicht um ein Schwerverbrechen, sondern um einen politisierten Straftatbestand. Dennoch wurde ich für ein Jahr in Untersuchungshaft genommen.“

Engelmann fügte hinzu:

„Jetzt bin ich – ebenso wie vier weitere Frauen, die der Beteiligung an einer illegalen bewaffneten Vereinigung beschuldigt wurden – wieder auf freiem Fuß. Eine gefährliche Bande sind wir, meinen Sie nicht auch? Aber glauben Sie bloß nicht, dass damit schon alles erledigt wäre. Während ich hier sitze und diese Zeilen schreibe, befindet sich der ukrainische Wissenschaftler Dr. Oleg Maltsev, der an chronischen Erkrankungen leidet, weiterhin in Haft, weil er angeblich der „Organisator“ einer paramilitärischen Formation sein soll.“

Der Kontext des Falles Oleg Maltsev

Die Freilassung Engelmanns stellt den dritten bedeutenden Erfolg der Verteidigung in diesem aufsehenerregenden Fall dar. Am 25. April 2025 wurde die Anwältin Olga Panchenko freigelassen, die aufgrund desselben Artikels wie ihr Mandant Oleg Maltsev festgenommen worden war. Am 14. Oktober 2025 hob das Berufungsgericht die Verurteilung der kirgisischen Staatsbürgerin Kanykei T. auf, deren „Geständnis“ zuvor als zentrales Beweismittel gegen den Wissenschaftler und sein Umfeld herangezogen worden war.

Rechtsanwalt Alexander Babikov erklärte:

„Das Berufungsgericht hat unsere Argumente zur Verletzung des Rechts auf Verteidigung, zu Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention sowie zur Missachtung von Zuständigkeitsfragen und weiteren Verfahrensfehlern durch das erstinstanzliche Gericht berücksichtigt. […] Die gewissenhafte und professionelle Arbeit des Teams hat zu diesem Ergebnis geführt. Wir arbeiten weiter – für den Erfolg und die Freilassung weiterer Mandanten sowie für die Widerlegung haltloser Anschuldigungen.“

Internationale Reaktionen

Der Fall Oleg Maltsev zog die Aufmerksamkeit internationaler Menschenrechtsorganisationen auf sich. Die Organisation Human Rights Without Frontiers erstellte für die OSZE einen Bericht, in dem Verstöße ukrainischer Richter dokumentiert wurden. Der Fall wurde zudem dem UN-Menschenrechtsausschuss vorgelegt. Die Europäische Akademie der Wissenschaften der Ukraine (EUASU) betonte wiederholt, dass die strafrechtliche Verfolgung ihres Akademikers Oleg Maltsev politisch motiviert sei und den Grundsätzen der akademischen Freiheit widerspreche. Die EUASU initiierte Appelle von Vertretern der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft an das ukrainische Gericht, in denen sie zu Transparenz und Rechtsstaatlichkeit im Verfahren aufrief. Darüber hinaus richtete sie einen Brief an den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky und gründete die internationale Koalition „Gerechtigkeit für Überzeugungen“, um die ukrainischen Behörden daran zu erinnern, dass selbst unter Kriegsrecht die strafrechtliche Verfolgung von Bürgern und ihre langanhaltende Inhaftierung aufgrund ihrer Überzeugungen nicht gerechtfertigt werden kann.

Die Freilassung von Sergej Engelmann schafft einen wichtigen Präzedenzfall für die Überprüfung der Haftbedingungen anderer Beteiligter in diesem Fall. Der ukrainische Wissenschaftler Oleg Maltsev befindet sich jedoch trotz chronischer Erkrankungen und fehlender Beweise weiterhin unter harten Haftbedingungen in Untersuchungshaft.

Die Zeitschrift Welt der Kampfkunst fordert die internationale Gemeinschaft, Journalisten, Menschenrechtsorganisationen und alle, die Presse- und akademische Freiheit hochhalten, auf, sich mit diesem Fall auseinanderzusetzen. Wir sind überzeugt, dass die Verfolgung konstruiert ist und eine unabhängige internationale Untersuchung erfordert.

Wie Sergej Engelmann selbst betonte:

„Das ist nicht nur meine persönliche Geschichte. Dies ist ein Kampf für Pressefreiheit, Menschenrechte und akademische Freiheit in der Ukraine. […] Die Wahrheit muss ans Licht kommen.“

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Author: Editorial